By Franz Cong Bui for Börsen-Zeitung
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Ende März ging die Insurtech Map an den Start. Betreiber sind das House of Insurtech Switzerland (HITS), F10, ein globales Innovationsökosystem mit Hubs in vier Ländern, und Kickstart, eine europäische Ökosystem-Innovationsplattform. Derzeit werden dort 142 Insurtechs aus der DACH-Region und Liechtenstein in einer virtuellen Karte mit ihrem Unternehmensprofil vorgestellt. Ruth Armalé, Head of Open Innovation bei HITS, erläutert im Interview den Ansatz und die Ausrichtung dieses Projekts.
Frau Armalé, welche Ziele verfolgen Sie mit der Insurtech Map? Und an welche Zielgruppen richtet sich diese Karte?
Mit der Insurtech Map möchten wir etwas zum Insurtech-Ökosystem beitragen, indem wir den Start-ups mehr Sichtbarkeit ermöglichen, das ist für uns eine primäre Zielgruppe. Die Mission des House of Insurtech Switzerland (HITS) ist, innovative Lösungen mit Start-ups zu gestalten. Als Head of Open Innovation widme ich mich der Aufgabe, die besten Start-ups für unsere Business-Stakeholder zu finden. Bei meiner Arbeit habe ich bemerkt, dass es im Moment schwierig ist, zugänglich, zuverlässig und aktuell einen Überblick über die Start-ups im Insurtech-Bereich zu gewinnen. Deswegen arbeiten wir eng mit Inkubatoren und Acceleratoren zusammen und haben uns mit F10 und Kickstart Innovation zusammengetan, um die Insurtech Map zu erstellen.
Und weitere Zielgruppen über die Start-ups hinaus?
Dazu zählen natürlich auch die etablierten Versicherungsunternehmen, die Kooperationen mit Start-ups eingehen möchten. Und eine weitere Zielgruppe, die insbesondere wichtig für die Start-ups sind, um Kapital zu beschaffen, sind auch noch die Investoren.
Welchen Ansatz verfolgen Sie mit der Insurtech Map?
Es handelt sich um eine digitale interaktive Map mit Filtern, über die man Suchen durchführen kann, zum Beispiel derzeit nach unterschiedlichen Ländern in der Dach-Region und Liechtenstein, aber auch nach einzelnen Gliedern Wertschöpfungskette oder nach Technologie, Geschäftsfeld oder Versicherungstyp. Dabei ist die Insurtech Map kein Schnappschuss des Ökosystems.
Was meinen Sie damit?
Die Karte wird aktualisiert und an der Landschaft der innovativen Start-ups dynamisch angepasst. Dafür haben wir Kriterien definiert, und man kann sich als Start-up dort anmelden, vorausgesetzt, dass diese Kriterien erfüllt sind.
Um was für Kriterien handelt es sich?
Die Start-ups müssen eine Innovation im technischen Bereich entlang der Versicherungswertschöpfungskette vorweisen, und sie müssen vor weniger als zehn Jahren gegründet worden sein. Außerdem müssen sie aktiv am Markt sein. Dies überprüfen wir mit z.B einer aktiven Website.
In Ihrer Map haben Sie die Wertschöpfungskette in die vier Bereiche Claims/Customer Service, Infrastructure, Marketing/Distribution sowie Product Development/Pricing and Underwriting unterteilt. Mitunter werden im Insurtech-Segment die Start-ups nach Enabler/App-Entwickler, Broker sowie Lizenzträger, die eigene Versicherungen entwickeln, unterschieden. Welche Vorteile sehen Sie in Ihrem Ansatz?
In Europa bilden vor allem Enabler mit innovativen Technologien, wie etwa Künstlicher Intelligenz (KI) und auch die Broker, den größten Teil. Gemäß Cap Gemini sind das im Moment 96 % der Insurtechs. Der Bereich der Lizenzträger ist weniger repräsentiert. Aber in den USA haben die einen größeren Anteil, um die 20 %, darunter sehr bekannte InsurTechs wie Lemonade. Das sind zum Teil disruptive Modelle, bei denen sich aber beobachten lässt, dass viele auch innerhalb der letzten Jahre gescheitert sind.
Woran?
Das sind sehr kapitalintensive Modelle, und der Insurtech-Bereich ist natürlich eine
Wo sehen Sie, bezogen auf die gesamte Insurtech-Branche derzeit besonderen Entwicklungsbedarf? Welche Themen sind aus ihrer Sicht gerade die großen Themen für die Insurtechs?
Im Moment wirkt sich die pandemische Situation noch stark aus. Wir sehen einen sehr starken Fokus auf Digitalisierung in der Versicherungsbranche, vor allem bei den Kunden-Touchpoints, aber auch bei der Transformation der Legacy-Systeme sowie der Digitalisierung der Schnittstellen. Für Insurtechs sehe ich kurz-/mittelfristig große Chancen bezüglich Kundenerlebnis im Vertrieb, bei Marketing/Distribution und im Claims/Customer Service.
Und langfristig betrachtet?
Da sehe ich das Potenzial mehr in Bezug auf das Thema Datensicherheit. Ereignisse wie die Pandemie, die Schwarze Schwäne genannt werden, machen die Versicherungskunden auf neue Risiken im digitalen Bereich aufmerksam. Es braucht infolgedessen neue Lösungen zum Schutz und zur Sicherheit der ganzen Daten, die mit der Digitalisierung entstehen. Modelle wie Krypto-Protection oder Digital-ID-Protection oder sogar auch Versicherungen gegen Fake-News. Themen wie die Datensouveränität der Nutzer können ebenso für Insurtechs interessant werden.
Insurtechs waren so wie Fintechs früher auch als Herausforderer der etablierten Anbieter gestartet. Sie hatten bereits erwähnt, dass Versicherer nun immer stärker sehen, dass die Start-ups nicht unbedingt Gegner, sondern vielleicht Kooperationspartner sind. Welche Trends sehen Sie im Versicherungsbereich noch?
Etwas, das in der Industrie „phygital“ genannt wird, ist die Kombination von digitalem Kanal mit physischer Beratung. Versicherungen sind zum Teil komplexe Produkte, welches noch ein komplementäres Angebot benötigt, womit man die Entscheidungsprozesse unterstützen kann durch die Kombination von digitalen Kanälen und Agenten. Als weiteren Punkt sehe ich etwas, das ich als „Vertrauen als Muss“ bezeichnen möchte, also die Datensicherheit der Verbraucher. Die Nachfrage bei den Kunden wird steigen, ihre persönliche Daten zu schützen. Und ebenfalls ein Trend, der für Versicherungen relevanter wird, ist das Thema Nachhaltigkeit. Die Kunden wollen sehen, dass die Versicherer sich auch bei Themen wie Klimawandel oder soziale Ungerechtigkeit positionieren. Und ein großer Hebel hierfür stellen ESG-Investments dar.
Vor welchen Herausforderungen stehen Insurtechs zurzeit?
Zusätzlich zur Regulierung ist das Insurtech-Geschäft einfach mit höheren Akquisitionskosten verbunden. Am Anfang gab es diese Herausforderung im B2C-Modell. Deswegen haben sich zunehmend Insurtechs stark im B2B-Segment positioniert. Aber auch im B2B-Bereich sind die Engagement Cycles in der Versicherungsindustrie sehr lang. Die Start-ups brauchen genug Anlaufbahn und Ressourcen, um das bewältigen zu können, bis sich das rechnet. Damit kommen wir zu einer weiteren Hürde, nämlich die Höhe des benötigten Kapitals. Zwar ist erkennbar, dass die Insurtech-Branche weltweit kontinuierliches Wachstum zeigt. Aber in Europa besteht noch Aufholbedarf, was die Kapitalisierung im Insurtech-Segment angeht.
Bei den Filtern der Insurtech Map wird der Technologiebereich in vier Segmente unterteilt, Analytics, DLT (Distributed Ledger Technology), IoT (Internet der Dinge) und Robotics/Automisation. Welche Technologie- und Innovationsbereiche halten sie für am meistversprechenden für die Assekuranz?
Das größte Potenzial sehe ich in der Kombination von verschiedenen Technologien. Wenn wir zum Beispiel IoT nehmen, steht das vor dem Durchbruch in der Versicherungsbranche. Sensoren ermöglichen Informationen in Echtzeit und somit viel mehr Daten und kundenorientierte Produkte oder Services. Aber ohne Datensicherheit kommt es nicht zum Durchbruch-Moment, diese Datenschutzebene fehlt noch. Hinzu kommt die Transport-Technologie, also etwa 5G, für hohe Mengen an IoT-Daten. Der IoT-Bereich bildet die Datenquelle. Dann braucht es aber auch noch künstliche Intelligenz, um aus all diesen Daten Erkenntnisse zu gewinnen. Dieses Potenzial wird in Zukunft durch Quantencomputing und andere Technologien noch wachsen. Was wir aber schlussendlich brauchen, um für diese Technologie Glaubwürdigkeit zu garantieren und das Vertrauen für diese Daten zu schaffen, ist die Blockchain/DLT. Es ist also die Kombination von diesen Technologien, die in Zukunft andere Modelle für den Kunden ermöglichen.
Bei der Map sind vierteljährliche Erweiterungen vorgesehen, was die darauf abgebildeten Insurtechs und Länder angeht. Ist denn auch geplant, Querverbindungen zwischen Start-ups, die zum Teil wenigstens schon existieren, darzustellen?
Wir wollten eine klare Darstellung für ein komplexes System abbilden und haben uns, zusammen mit dem akademischen Partner und dem Start-up, welches die technische Implementierung der Karte ermöglicht, für eine simplifizierte Repräsentation entschieden. Solche Querverbindungen ließen sich schon darstellen, aber es würde dann weniger übersichtlich. Doch wir sind überzeugt: das Geniale ist einfach. So wie Leonardo da Vinci sagte, dass Einfachheit die höchste Stufe der Vollendung sei. Und dann haben wir uns für diesen Ansatz entschieden.
Beim House of Insurtech Switzerland liegt der Fokus natürlich auf solchen Start-ups. Aber so eine Map ließe sich durchaus auch auf andere Bereiche übertragen. Haben Sie Pläne in dieser Richtung?
Das mittelfristige Ziel ist, die Insurtech-Landschaft von ganz Europa zu visualisieren. Wir haben noch weitere Ideen, was die Entwicklung der Map anbelangt, aber im Moment fokussieren wir uns auf den Nutzen der Stakeholder. Wir werden wahrscheinlich stärker in Richtung Ökosystem gehen, indem wir zum Beispiel mehr Fokus auf den Krankenversicherungsbereich legen. Unsere Partner F10 und Kickstart Accelerator haben einen breiteren Blick auf Start-ups.
Generali ist Hauptsponsor der Insurtech Map, das Swiss Life Lab und Innopeaks von Groupe Mutuel sind ebenfalls als Sponsoren engagiert. Sehen Sie das Risiko von Interessenkonflikten? Oder reagieren potenzielle Kooperationspartner deswegen zurückhaltend?
Eigentlich nicht, wir sind in Kontakt mit verschiedenen Innovationskollegen von Versicherungsfirmen und anderen Stakeholdern. Bisher haben wir sehr positive Reaktionen erhalten. Wir sind auch offen für andere Sponsoren und führen im Moment noch Gespräche. Ich glaube, Offenheit und gemeinsame Nutzung von Daten ist ein Trend, der sich fortsetzen wird. Und die Daten, die wir publizieren, sind für die Öffentlichkeit gedacht.
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